• 19.05.2024 17:11

  • von Stefan Leichsenring

Neue Klasse: Was bisher zur neuen BMW-Plattform bekannt ist

Wenn es um die Zukunft von BMW geht, ist die Neue Klasse das beherrschende Thema: Wir stellen zusammen, was bisher bekannt ist

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Die Neue Klasse ist in aller Munde. Nun ja, das ist vielleicht etwas übertrieben, aber immer wenn es um die Zukunft von BMW geht, kommt die Sprache schnell auf die neue Plattform. Kein Wunder, denn ab 2025 sollen Zug um Zug so ziemlich alle Modelle des Münchner Herstellers auf diese Architektur umgestellt werden.

Titel-Bild zur News: BMW Vision Neue Klasse X (rechts) und Vision Neue Klasse

BMW Vision Neue Klasse X (rechts) und Vision Neue Klasse Zoom

Wir präsentieren, was bisher zur Neuen Klasse bekannt ist und spekulieren ein wenig, wo noch nicht viel verlautbart wurde. Die Themen im Überblick:

Die beiden Studien

"Das erste vollelektrische hohe Derivat auf der neuen Architektur wird 2025 im Werk Debrecen (Ungarn) in Serienproduktion gehen", schreibt BMW. Damit ist wohl das angekündigte Mittelklasse-SUV gemeint, das iX3 heißen könnte und mit der Studie Vision Neue Klasse X vorweg genommen wurde.

Das zweite Modell ist eine Mittelklasse-Limousine, die möglicherweise i3 heißen wird; als Studie trug das Auto den Namen Vision Neue Klasse. Die Serienversion soll ab 2026 gefertigt werden.

Akkus und Laden

Zu den Akkus hat sich BMW schon recht detailliert geäußert. Statt der bisher eingesetzten prismatischen Zellen sollen künftig zylindrische verwendet werden. Die Zellen sollen von Zulieferern wie CATL, Eve und Envision AESC kommen, welche Chemie eingesetzt wird, ist nicht genau bekannt. Im Vergleich zu den bisherigen Gen5-Zellen wird an der Kathode mehr Nickel und weniger Cobalt verwendet - das könnte auf eine NCM811-Chemie hindeuten. An der Anode erhöht sich der Siliciumanteil.

Zwei Zellgrößen sind geplant: 4695 für die Limousine und 46120 für das SUV. Beide haben 46 mm Durchmesser wie die 4680er von Tesla, sind aber länger. Die NCM811-Zelle von Tesla speichert angeblich rund 98 Wattstunden. Das Volumen der BMW-Zellen ist 19 beziehungsweise 50 Prozent höher, also könnte auch die Speicherkapazität bis zu anderthalb mal so groß sein wie bei Tesla:

Zellvolumen
4680 (NMC, Tesla): 46 x 80 = 3680 mm3
4695 (BMW): 46 x 95 = 4370 mm3
46120 (BMW): 46 x 120 = 5520 mm3

Unterschied gegenüber 4680
4680 (NMC, Tesla): -
4695 (BMW): +19%
46120 (BMW): +50%

Speicherkapazität
4680 (NMC, Tesla): ca. 100 Wh
4695 (BMW): ca. 119 Wh
46120 (BMW): ca. 150 Wh

Im Vergleich zur 4695er-Zelle hat die 46120er mit 120 mm Länge etwa 26 Prozent mehr Volumen. Wenn beide Autos den gleichen Radstand haben, könnte das SUV etwa 26 Prozent mehr Batteriekapazität haben; das es schwerer sein dürfte, wird wohl die Reichweite nicht im gleichen Maße wachsen. Dass bei der Limousine die um 25 mm kürzeren Zellen verwendet werden, dürfte eine niedrigere Sitzposition ermöglichen.


Fotostrecke: BMW Vision Neue Klasse X (2024)

Beim Einbau der Zellen verfolgt BMW das Konzept Cell-to-Pack und Pack-to-Open-Body. Das heißt, die Zellen werden direkt (ohne den Umweg über Module) zu einem Batteriepaket zusammengestellt und dieses wird von unten in die offene Karosserie eingesetzt:

Die Neue Klasse hat ein 800-Volt-System. Die Nominalspannungen liegen in aller Regel niedriger. Gegen wir hypothetisch von 650 Volt aus, dann wären etwa 180 in Reihe geschaltete Zellen nötig, denn eine Lithium-Ionen-Zelle hat eine Spannung von rund 3,6 Volt.

Bis hierhin sind die Verhältnisse ähnlich wie beim Audi Q6 e-tron und Porsche Macan. Doch die zylindrischen Zellen von BMW haben deutlich weniger Speicherkapazität als die prismatischen von Audi und Porsche: 180 Zellen à 150 Wh ergeben nur 27 kWh. Um auf Reichweiten von 600 km zu kommen, dürften mindestens dreimal so viele kWh nötig sein. So käme als Batteriekonfiguration 180s3p in Frage (statt 180s1p bei Audi und Porsche).

Designstudie Cockpit des Konzepts BMW Vision Neue Klasse

Designstudie Cockpit des Konzepts BMW Vision Neue Klasse Zoom

Was die Reichweite angeht, so soll sie 30 Prozent größer sein - vermutlich im Vergleich zu heutigen BMWs des gleichen Segments. Der BMW i4 schafft mit seiner 81-kWh-Batterie rund 590 km; 30 Prozent mehr wären über 750 km. Der BMW iX3 hat einen 74-kWh-Akku für etwa 470 km Reichweite; 30 Prozent mehr wären etwa 610 km. Irgendwo zwischen diesen Werten dürfte auch die Top-Reichweite der Mittelklasse-Fahrzeuge liegen. Die Oberklasse bietet bei BMW nicht wesentlich mehr Reichweite: Beim BMW iX sind es bis zu 633 km, beim BMW i7 bis zu 625 km.

Durch das 800-Volt-System soll man zudem um 30 Prozent schneller laden können. In nur zehn Minuten soll man Strom für weitere 300 Kilometer nachtanken können. Zum Vergleich: Porsche verspricht für den neuen Taycan bis zu 315 km in 10 Minuten, Tesla für das Model 3 bis zu 282 km in 15 Minuten (also rechnerisch etwa 188 km in 10 min). Auch das bidirektionale Laden wird von der Plattform unterstützt.

Antriebe und Modellbezeichnungen

Die Neue Klasse erhält die sechste Generation des BMW eDrive. Wie die bisherigen BMW-Elektroautos sorgen stromerregte Synchronmotoren für den Antrieb, also Elektromotoren, bei denen das Magnetfeld im Rotor durch Elektromagnete erzeugt wird (statt durch Permanentmagnete wie in PSMs).

Die Systemleistungen der Neuen Klasse sollen von 200 bis 1.000 kW reichen. Die kleinste Leistung stimmt etwa mit den derzeitigen Basismodellen wie dem i4 eDrive35 (210 kW) überein. Die höchste Leistung wird wohl das Sportmodell mit vier Motoren erhalten, das als elektrischer M3 gehandelt wird. Gebaut werden die Motoren im BMW-Werk im österreichischen Steyr.

Da BMW weg will von den derzeitigen Modellbezeichnungen à la BMW i4 eDrive40, könnten die neuen Modelle Namen wie i340 oder i360 xDrive beziehungsweise iX340 oder iX60 xDrive erhalten. Der elektrische M3 könnte vielleicht iM350 xDrive heißen oder so ähnlich.

Cockpit und Bedienkonzept

Heutige Elektro-BMWs wie der BMW i5 haben zwei Displays im Querformat nebeneinander, dazu gibt es ein Head-up-Display. Bei den Mittelklasseautos der Neuen Klasse wird es dagegen kein klassisches Instrumentendisplay mehr geben. Das Fahrtempo wird stattdessen auf den unteren Rad der Frontscheibe projiziert, was BMW als Panoramic Vision bezeichnet. Hinzu kommen ein Head-up-Display und ein seltsam windschiefer Touchscreen, der ähnlich dünn zu sein scheint wie das "Pizza-Display" der neuen Minis:

Cockpit des Konzepts BMW Vision Neue Klasse

Cockpit des Konzepts BMW Vision Neue Klasse Zoom

Eine Augmented-Reality-Anzeige erfolgt zum Beispiel im i5 nur im Instrumentendisplay, wo ein Kamerabild durch Abbiegehinweise ergänzt wird. Ob es auch in den neuen Autos eine AR-Anzeige gibt und ob sie (wie etwa bei VW) im Head-up-Display erfolgt oder im Touchscreen, bleibt offen. Physische Tasten werden auf ein Minimum reduziert. Es soll sie eigentlich nur noch am Lenkrad geben. Hinzu kommt wie gehabt eine Sprachsteuerung.

Das Lenkrad ist bei beiden Studien oben und unten abgeflacht. Dazu kommen helle Materialien im Interieur und ein gläserner Getriebewahlhebel in der Mittelkonsole ähnlich wie im i5.

Marktstart und Produktion

Nach den beiden Mittelklassefahrzeugen sollen innerhalb von zwei Jahren vier weitere Modelle auf Basis der Neuen Klasse folgen. BMW-Chef Oliver Zipse beschrieb das Mittelklasse-SUV und die Mittelklasse-Limousine kürzlich als "die Bookends der Neuen Klasse. Dazwischen bleibt noch viel Raum, den wir nutzen. (...) Innerhalb von 24 Monaten kommen mindestens sechs verschiedene Modelle auf den Markt."

Auch die Zahl der Werke, in denen die Neue Klasse produziert werden kann, soll laut Zipse schnell steigen: "Unser neues Werk im ungarischen Debrecen beginnt: Ab Ende 2025 läuft dort das erste X-Model vom Band. 2026 schließen nahtlos an: unser Stammwerk München und das Werk Shenyang in China. Mit der Limousine. 2027 startet die Neue Klasse auch im mexikanischen San Luis Potosí." In der Nähe jedes Werks wird es eine BMW-eigene Batteriemontage geben.

Die Plattformen der Konkurrenz:

PPE, Neue Klasse und MMA: Die 800-Volt-Plattformen kommen
Smart Concept #5: Mittelklasse-SUV erhält ein 800-Volt-System

Unter dem Strich

Die Optik der Neuen Klasse ist ziemlich verwegen; mit dem "retrofuturistischen" Design bricht BMW deutlich mit dem aktuellen Look. Dabei verabschiedet sich BMW offenbar auch von den dicken Chromelementen und schwarzen Nieren der Gegenwart und folgt dem Motto: Licht ist das neue Chrom.

Auch beim Bedienkonzept geht die Marke mit Panoramic Vision neue Wege, genauso wie bei den Batterien. Ein deutliches Plus ist natürlich die 800-Volt-Architektur. Nur bei den Antrieben scheint man sich mit einer Weiterentwicklung zu begnügen.

Quellen: BMW (Vision Neue Klasse), BMW (Vision Neue Klasse X), Zipse-Rede vom 15. Mai

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