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  • 31.07.2014 11:44

  • von Dominik Sharaf

Mardenborough: Von der Playstation zu Red Bull

Jann Mardenborough hat den Sprung vom Computerspiel an die Rennstrecke und von der GT-Akademie zum Red-Bull-Nachwuchs geschafft - Folgt jetzt die Formel 1?

(Motorsport-Total.com) - Die Schule ist aus oder der Feierabend eingeläutet. Die Spielkonsole fährt hoch und Millionen Gamer träumen den gleichen Rennfahrertraum. Für Jann Mardenborough ist er innerhalb kürzester Zeit in Erfüllung gegangen. Der 22-jährige Brite gewann 2011 als bester "Zocker" einen Platz in der Nissan-GT-Akademie, wurde danach in GT- und Langstreckenprojekten - darunter auch die 24 Stunden von Le Mans - eingesetzt und fährt aktuell in der GP3.

Titel-Bild zur News: Jann Mardenborough

Für Jann Mardenborough wurde die virtuelle Welt Wirklichkeit Zoom

So ist er zumindest in Sachen Arbeitsplatz angekommen in der Königsklasse, schließlich fährt die Nachwuchsserie im Formel-1-Rahmen. Doch mit den ersten Monoposto-Einsätzen seiner weiter jungen Karriere ist längst nicht Schluss: Red Bull hat den Sohn eines Fußballprofis, der über zehn Jahre lang keinerlei "reale" Motorsport-Erfahrung sammelte, in sein Förderprogramm aufgenommen. 'Motosport-Total.com' erzählt Mardenborough, wie er den Weg vom Sofa ins Cockpit erlebt hat.

Frage: "Jann, vor einigen Monaten hast du noch vor der Playstation gesessen und jetzt sitzt du in einem Formel-1-Fahrerlager. Das muss sich wie ein Traum anfühlen..."
Jann Mardenborough: "Ich muss mich schon manchmal kneifen, um zu realisieren, in welch kurzer Zeit das alles passiert ist. Das ist unglaublich. Es ist sehr inspirierend jetzt die Formel-1-Boxengasse zu sehen mit all den Autos und Teams. Ich hoffe, den Weg im Monoposto weiter gehen zu können und werde dafür alles geben."

Frage: "Mit acht Jahren bist du noch Kart gefahren. Warum hast du damit aufgehört?"
Mardenborough: "Für das Karting musste man zirka 20 Pfund (rund 25 Euro; Anm. d. Red.) für eine halbe Stunde zahlen. Das ist alles, was ich getan habe. Ich habe an keinen Rennen teilgenommen. Ich habe dann damit aufgehört, weil die Kartbahn in der Nähe geschlossen hat. Da war ich etwa elf Jahre alt. Bis ich die GT-Akademie gewonnen habe, bin ich nicht mehr gefahren. Das waren meine einzigen Erfahrungen."

Jann Mardenborough

Weg zur Formel 1? Jann Mardenborough fährt aktuell in der GP3 Zoom

Frage: "War das das Ende des Traums von einer Motorsportkarriere?"
Mardenborough: "Ich hörte auf zu träumen. Als Teenager war mir klar, dass aus einer Rennfahrerkarriere nichts werden würde, wenn man nicht das nötige Kleingeld dafür hat. Ich war nur ein ganz normaler Typ und wusste, dass es nicht passieren würde, wenn ich nicht im Lotto gewinnen würde. Ich habe das Kapitel also geschlossen, mich auf die Schule konzentriert und von Autos nur noch geträumt."

Frage: "Wie bist du dann zum professionellen Playstation-Spieler geworden? Nur aus Spaß?"
Mardenborough: "Am Anfang war es nur zum Spaß. Ich wollte nur sehen, wie ich mich gegenüber anderen Spielern in Europa schlage. Dann bin ich in dem Wettbewerb aber immer weiter gekommen und stand auf einmal in Silverstone im Finale. Da habe ich mich wirklich rein gehangen, weil mir klar war, dass die Möglichkeit, mit Nissan zu fahren und von ihnen unterstützt zu werden einmalig war. Ich wollte das Beste daraus machen."

Frage: "Was kann man an der Playstation besser lernen als auf der Strecke?"
Mardenborough: "Man kann die Strecken sehr gut kennenlernen. Man muss halt keine Antrittsgebühren oder ähnliches zahlen, man kann so viele Runde drehen, wie man möchte. Es ist ein gutes Lernmittel um Strecken und Autos kennenzulernen, wie im Simulator."


Nissan GT-Academy

Frage: "In der GT-Akademie durftest du dann endlich in ein richtiges Rennauto steigen. Was hat dich da am meisten beeindruckt?"
Mardenborough: "Die Geschwindigkeit hat mich wirklich überrascht. Es ist recht beeindruckend als 19-Jähriger mit 250 km/h in Silverstone zu fahren. Es ist schon etwas anderes, ein Auto zu fahren, das viermal so viel Power hat als alles, was man je zuvor gefahren ist. Die Geschwindigkeit war am überraschendsten und macht dich schnell abhängig."

Frage: "Beim Spielen sitzt man sicher in seinem Wohnzimmer, aber in einem echten Rennauto gibt es einige Gefahren. Hast du dich damit auseinandergesetzt?"
Mardenborough: "Wenn man jung ist, denkt man nicht viel darüber nach. Man glaubt, dass man unverwundbar ist. Es gehört aber zum Rennfahren dazu, dass etwas passieren kann. Wenn man aber im Auto darüber nachdenken würde, wäre man nicht schnell genug, weil man viel zu ängstlich wäre. Man muss den Mut haben."

Frage: "Glaubst du, dass das Spielen heutzutage eine gute Vorbereitung ist, weil sich der Sport in diese Richtung entwickelt hat?"
Mardenborough: "Der Sport hat sich sehr verändert. Die Teams verlassen sich beispielsweise viel mehr auf den Simulator, weil das Testen so limitiert ist. Der Unterschied zur virtuellen Welt ist daher kleiner geworden. Die Simulationen sind so gut geworden, dass der Fahrer das Setup ändern kann und das auch spürt und im Rennauto nachher dasselbe fühlt."

Jann Mardenborough

Nicht nur an der Konsole erfolgreich: Jann Mardenborough in der GP3 Zoom

Frage: "Wie bist du mit den physischen Veränderungen im Vergleich zum Spielen umgegangen?"
Mardenborough: "Das ist wirklich nicht zu unterschätzen. Man sitzt Zuhause und ja, das Lenkrad ist auch schwer, aber es ist nichts im Vergleich zu einem Rennauto. Diese Elemente mussten wir deswegen auch in der GT-Akademie trainieren. Für einen Monoposto muss man wegen der G-Kräfte sogar noch mehr trainieren, den Nacken, die Handgelenke. Das ist natürlich etwas ganz anderes als beim Spielen. Die GT-Akademie trainiert einen daher so gut es geht, um einen so gut wie möglich auf den Sprung ins Rennauto vorzubereiten, damit man sich um seine Fitness keine Sorgen machen muss."

Frage: "In den letzten Monaten bist du im Monoposto, Langstreckenrennen und GT-Rennen gefahren. Was war dabei am meisten mit dem Spielen zu vergleichen?"
Mardenborough: "Schwer zu sagen, aber eigentlich alle. Wir nutzen den Simulator bei Red Bull für GP3-Siulationen. Für das Le-Mans-Auto haben wir einen Simulator von Nissan in Silverstone. Für die GT-Autos kann man mit dem Spiel gut trainieren. Was Straßenautos oder GT-Autos angeht, ist Grand Turismo schon sehr nah dran. Man kann da schon spüren, wie sich das Auto in den Kurven verhält und so weiter."

Frage: "Du bist jetzt im Red-Bull-Juniorprogramm. Heißt das, dass du eine Monoposto-Karriere anstrebst?"
Mardenborough: "Ich denke, Nissan hat mich ins Monoposto gebracht, um mich als Fahrer besser weiterzuentwickeln. Es ist die beste Möglichkeit, um das Rennfahren zu trainieren, denn die Rennen sind kurz, sehr intensiv, es gibt viele Überholmanöver und die Starts sind immer sehr entscheidend. Als Fahrer lernt man da auch viel mehr über Setups, weil man so viel einstellen kann. Bei Red Bull können wir den Simulator nutzen. Mein Ingenieur und ich können nach Milton Keynes fahren und für die Rennwochenenden testen. Das ist eine gute Kombination."


Fotos: Präsentation des GP3/13


Frage: "Daniil Kwjat ist von der GP3 direkt in die Formel 1 gekommen. Glaubst du, dass das auch für dich möglich ist?"
Mardenborough: "Ich hoffe es. Es zeigt, dass die GP3 eine gute Kategorie ist, um den Sprung zu schaffen. Mit Kwjat und Bottas haben aktuell schon zwei Fahrer diesen Schritt geschafft. Ich bin also in der richtigen Position, aber ich muss mich noch natürlich noch weiter entwickeln. Es ist gut wissen, dass man den Sprung schaffen kann und ich auf dem richtigen Weg bin."

Frage: "Gehst du ein Rennwochenende anders an als Fahrer, die ihr ganzes Leben lang schon Kart gefahren sind und durch all die Unterserien schon viele Rennen angegangen sind?"
Mardenborough: "Ich kann nicht für andere sprechen, da ich nicht genau weiß, wie sie es machen, aber ich denke, ich gehe Rennwochenenden an, wie jeder andere auch an. Ich nutze den Simulator sehr, ich trainiere hart und wenn ich an die Strecke komme, habe ich eine bestimmte Routine."

Alex Brundle, Jann Mardenborough

Mardenborough ist vielfältig im Einsatz und entwickelt sich zum Allrounder Zoom

Frage: "Sprichst du regelmäßig mit den Red-Bull-Piloten?"
Mardenborough: "Die sind natürlich sehr beschäftigt, aber in der Fabrik läuft man Daniel Ricciardo schon mal über den Weg. Seb (Vettel; Anm. d. Red.) habe ich noch nicht getroffen. Die machen dort ihre Simulator-Arbeit und sind sehr beschäftigt mit ihrem eigenen Programm."