"Nur" Zweiter: Petrucci dachte an Schützenhilfe für Dovizioso

Danilo Petrucci (2.) erklärt, warum er Andrea Dovizioso Platz zwei in Misano nicht überlassen hat & wie sich 21 Führungsrunden mit Marc Marquez im Nacken anfühlen

(Motorsport-Total.com) - So nah, und doch so fern war der erste MotoGP-Sieg für Danilo Petrucci bei seinem Heimrennen in Misano. Der Pramac-Ducati-Pilot musste den Spitzenplatz nach seiner 21 Runden langen Führungsarbeit in der allerletzten Runde doch noch an Weltmeister Marc Marquez abgeben. Der Italiener blickt mit gemischten Gefühlen auf eines seiner wohl stärksten MotoGP-Rennen. Er sicherte sich mit Rang zwei zwar das dritte Podium in diesem Jahr, hätte durch eine Ducati-Teamorder Andrea Dovizioso allerdings Platz zwei überlassen und somit zum Erhalt der WM-Führung verhelfen können. (Das Ergebnis im Detail!)

Titel-Bild zur News: Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci

Petrucci hat 21 Runden lang in Misano vor Marquez und Dovizioso geführt Zoom

"Ich habe sehr gemischte Gefühle. Natürlich bin ich glücklich, in Italien wieder auf dem Podium zu stehen. Aber ich habe das Rennen die meiste Zeit angeführt", erklärt ein nachdenklicher Petrucci in der Pressekonferenz nach dem Rennen. Von Startplatz acht aus ging er in sein zweites Heimrennen, bereits am Start machte er zwei Positionen gut. Mit einigen mutigen Manövern gegen Johann Zarco, Maverick Vinales oder auch Andrea Dovizioso sicherte er sich den vorerst zweiten Platz.

Durch den Sturz von Jorge Lorenzo erbte Petrucci in Runde sieben die Führung vom Spanier. Allerdings saß ihm ab diesem Zeitpunkt Honda-Pilot Marquez fest im Nacken. Der Spanier ließ den Abstand zur Ducati auf maximal eine halbe Sekunde anwachsen. "Ich hatte Angst", berichtet der 26-Jährige, "denn seit dem Vormittag wusste ich, dass die Strecke sehr rutschig war - speziell in ein paar Kurven. Als ich nach dem Sturz von Jorge die Führung übernahm, sagte ich mir, dass ich nun abwarten werde."

Petrucci über Marquez' Druck: "Auf dem Sofa fühlt es sich besser an"

Er berichtet von einem sehr heiklen Moment acht Runden vor Rennende, als er in Kurve 6 ein großes Risiko einging. "Ich dachte, dass mich Marc überholen würde. Nach zwei Metern wusste ich aber, dass Marc zu clever war, um nach vorne zu fahren und den Rhythmus vorzugeben. Ich dachte schon darüber nach, dass ich ihn vorbeilasse, damit er die Führungsarbeit leistet. Aber schon im Warm-up war er sehr stark. Ich wollte den Anschluss an ihn nicht verlieren, daher wollte ich das gesamte Rennen über vorne bleiben", schildert Petrucci seine Taktik.

Ab Runde sieben war die Desmosedici immer in Führung liegend im TV-Bild zu sehen. Marquez konnte den Abstand von Runde sieben (+0,201 Sekunden) bis Runde 27 (+0,035 Sekunden) kontrollieren. "Ich wollte nicht zu sehr pushen. Die Streckenbedingungen waren sehr schwierig, daher habe ich einfach versucht, auf dem Bike sitzen zu bleiben und so schnell wie möglich zu fahren." Drei oder vier Mal habe er versucht, den Abstand zu Marquez zu vergrößern, da er von der Stärke des Spaniers auf den letzten Runden wusste, doch das war nicht möglich.

Wie es sich anfühlt, den aktuellen WM-Führenden und Titelverteidiger direkt hinter sich zu spüren? "Wenn man auf dem Sofa liegt, fühlt es sich besser an", muss Petrucci schmunzeln. Er beschreibt, dass er vor allem zu Beginn des Rennens, als noch mehr Wasser auf der Strecke stand, gut zurechtkam. "Vielleicht hat mir mein Gewicht bei der Traktion geholfen. Dann habe ich in der ersten Rennhälfte den weichen Hinterreifen etwas zu sehr beansprucht, wodurch es danach schwieriger wurde", gesteht er.

Petrucci spekulierte: "Habe gehofft, dass Marc an die WM denkt"

Petrucci spekulierte, dass Marquez zur Vernunft gekommen war, nachdem er bei regennasser Fahrbahn einige Warnungen von seinem Bike erhalten hatte. "Ich habe gehofft, dass er an die WM denkt und mich deshalb nicht attackieren wird." Doch damit hatte er sich verzockt. "In der vorletzten Runde ist er eine tolle letzte Kurve gefahren, dann konnte er mich in Kurve 1 überholen."

Der Abstand zwischen den beiden über den Zielstrich betrug knappe 0,035 Sekunden. In Kurve 4 sah Petrucci eine letzte Chance, um die Führung doch noch zurückzugewinnen. Als er jedoch fast die Kontrolle über das Bike verloren hatte, begnügte er sich mit Platz zwei. "Mein Bike ist nur aufrecht geblieben, weil ich sehr groß bin und mit dem Knie dagegen gehalten habe."

Schließlich fuhr er auf der GP17 mit einer Sekunde Rückstand hinter Marquez ins Ziel. Sein Ducati-Kollege Dovizioso musste das Führungsduo bereits einige Runden früher ziehen lassen. In den letzten zehn Rennrunden stieg sein Rückstand auf die Spitze von 0,971 Sekunden auf 11,706 Sekunden an. Ein Platztausch der Markenkollegen gestaltete sich daher schwierig - obwohl Petrucci Dovizioso so zum Erhalt der WM-Führung verholfen hätte. Mit Platz zwei und somit 20 anstatt 16 Zählern hätte der Werkspilot nun vier Punkte Vorsprung vor Marquez. (Zum WM-Stand!)

Schützenhilfe für "Dovi": Petrucci wollte ihn vorbeilassen

"Ich muss ehrlich sein, ich habe darüber nachgedacht (ihn vorbeizulassen; Anm. d. Red.)", gibt Petrucci zu. "Ich hatte gehofft, dass Andrea nahe an mir dran ist." Allerdings fiel der Italiener vor allem in den letzten vier Runden um über fünf Sekunden vom Führungsduo ab. "Ich dachte darüber nach, habe aber bis zum dritten Sektor in der letzten Runde versucht, Marc zu überholen." Petrucci ist der Meinung, dass Dovizioso auch ohne seine Hilfe die Weltmeisterschaft für sich entscheiden kann. "Vielleicht werde ich in den kommenden Rennen noch wichtiger für ihn."

Außerdem fügt er hinzu: "Ich denke nicht, dass es eine schöne Optik für die Meisterschaft haben würde, wenn ich die Position in der letzten Runde hergebe. Wir kämpfen alle um etwas hier. Bis Donnerstag habe ich gesagt, dass ich Dovi in der Meisterschaft helfen möchte. Aber wenn ich ihn in der letzten Kurve überholen hätte lassen, dann wäre das unschön gewesen." Dovizioso pflichtet seinem Landsmann in der Pressekonferenz bei, indem er anmerkt: "Danilo ist ein unglaubliches Rennen gefahren. Es ist schön, ihn auf dem Podium - auf dem zweiten Platz - zu sehen."


Fotos: Danilo Petrucci, MotoGP in Misano


Der Pramac-Ducati-Pilot fühlte sich an diesem Sonntag in Misano ein wenig an das Rennen in Assen erinnert, als er lange Zeit mit seinem Kumpel Valentino Rossi um den Sieg gekämpft hatte - und am Ende ebenso Zweiter wurde. "Ich habe versucht, das Rennen zu kontrollieren. In Assen war mir Rins auf der letzten Runde im Weg. Diesmal hatte ich kein Problem - abgesehen von Marc", muss er lachen. "Ich bin etwas traurig, weil ich mein erstes Rennen gewinnen hätte können. Dennoch war Marc stärker, er hat den Sieg verdient", gibt er sich sportlich fair und merkt schelmisch an: "Ich sage immer, dass mein bestes Rennen das nächste sein wird. In Aragon werde ich es wieder versuchen."