• 06.06.2001 17:44

  • von Fabian Hust

Ex-Jaguar-Teamchef Neil Ressler im Interview

Ressler spricht über Monaco, den angeblich zu konservativen Jaguar R2 und die Entscheidung, Burti auszutauschen

(Motorsport-Total.com) - Für Neil Ressler, den ehemaligen Geschäftsführer von Jaguar Racing, war das Timing perfekt, als er in Monaco in diesem Jahr zum ersten Mal bei einem Formel-1-Rennen vor Ort war und gleich Eddie Irvines dritten Platz feiern durfte. Ende letzter Saison trat Ressler von seinem Posten zurück und überließ Bobby Rahal und jetzt auch Niki Lauda die Leitung des Rennstalls. Zum einen wurde die Entscheidung durch den schwierigen Aufbau des Teams geleitet, hauptsächlich aber durch die Tatsache, dass seine Tochter schwer erkrankt war, weshalb er ihr mehr Zeit widmen wollte. Seine Tochter ist mittlerweile leider ihrer Krankheit erlegen. Jetzt kümmert sich Ressler um Jaguar und die Ford Motors Company, ist aber immer noch ein Direktor des Jaguar-Racing-Teams und wird auch in Montreal vor Ort sein. Der Brite sprach mit Adam Cooper für ein Interview auf der Jaguar-Racing-Website.

Titel-Bild zur News: Neil Ressler

Neil Ressler war in der Saison 2000 für Jaguar Racing verantwortlich

Frage: "Was bedeutet ihnen der dritte Platz?"
Neil Ressler: "Nun, es war das erste Rennen, bei dem die Handschrift von Mark Handfords ersten Modifikationen am Auto installiert wurde. Die Veränderungen machten schon beim Testen einen bedeutenden Unterschied aus und ich denke, dass sie auch im Rennen viel gebracht haben. Es ist also eine Bestätigung der Anstrengungen des Teams, die technische Stärke zu verbessern. Ich könnte für das Team kaum glücklicher sein und ich weiß, dass dies eine positive Auswirkung auf die Moral haben wird. Ich erwarte klarerweise für den Rest der Saison eine verbesserte Leistung. Es ist ein großartiges Gefühl und ich bin sehr, sehr glücklich. Ich bin persönlich erleichtert, dass jenes Team, das ich zum größten Teil aufgebaut habe - und während meiner Zeit ein paar Standpauken aushalten musste - so ein gutes Ergebnis erzielt hat. Jetzt zähle ich nur noch die Minuten, bis wir nach Kanada gehen!"

Frage: "Was denken Sie von der bisherigen Saison?"
Ressler: "Ich denke, dass wir die Saat auf das Feld gestreut haben, die uns die Früchte bringen wird. Die Aufgabe war es zunächst einmal gewesen, die Mannschaft zu verstärken und das war natürlich nicht einfach. Normalerweise hängt man bis zum Saisonende fest, ohne dass man etwas unternehmen kann oder zumindest zu lange. Aber Bobby kam zu uns und Mark kam und Bobby und ich heuerten zusammen Steve Nichols an und übertrugen manche Aufgaben im Team jüngeren Angestellten. Ich denke, dass wir weiterhin Fortschritte machen werden. Es ist ein hartes Business und die anderen machen ebenfalls Fortschritte, aber ich bin hoffnungsvoll, dass das Ergebnis von Monaco keine Eintagsfliege war. Cosworth macht mit dem Motor ständig Fortschritte, wir hatten bereits drei oder vier Versionen. Ich bin optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mir tat es leid, dass ich gehen musste, als ich es tat und vor allem so schnell, wie ich es tat, aber ich hatte einen Notfall und konnte nicht warten. Monaco war aber ein tolles Wochenende. Ich habe eine Menge Freunde getroffen, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte, einige davon seit dem letzten Rennen im vergangenen Jahr."

Frage: "Wie kommt Bobby mit seiner Aufgabe zurecht?"
Ressler: "Ich denke, dass er gut arbeitet. Er ist ein Profi und versteht sein Geschäft. Er kennt das Business, er kennt sich im Motorsport aus und war schon immer mehr mit dem Europäischen Rennsport und der Formel 1 verbunden als die Leute dachten. Ich hatte an der Entscheidung keine Sekunde lang irgendwelche Zweifel."

Frage: "Es gab die Vermutung, dass das diesjährige Auto etwas zu konservativ ist, weil sie für den Start ein solides und zuverlässiges Auto gefordert haben. Sehen sie das genauso?"
Ressler: "Das habe ich nicht gesagt - ich habe ihnen nicht gesagt, dass sie ein konservatives Auto entwerfen sollen! Was ich den Jungs gesagt habe ist, dass sie die neuen Technologien ab dem 1. Januar ausprobieren sollten, da wir in der Vergangenheit immer im Januar und Februar mit etwas gekämpft hatten, das uns davon abhielt, das Auto weiterzuentwickeln. Wenn es nichts mit der Kraftübertragung zu tun hatte, dann war es der Motor, die Ölversorgung oder dies oder das. Alles was ich sagte war 'lasst uns den Motor und die Kraftübertragung fertigstellen und an einen modifizierten R1 anbringen, den wir R1B nennen und testen dann alles ab dem 1. Januar aus'. So dass wir dann den Januar und Februar damit verbringen können, den R2 zu entwickeln, wenn er fertiggestellt ist und nicht irgendwelche Problemchen wie in der Vergangenheit finden. Was das Design des Autos betrifft, so habe ich ihnen nicht gesagt, was sie tun sollen. Die erste Designgruppe wusste um die Schwächen des R1 und arbeitete eine Aufgabenliste aus mit Dingen, auf die man beim Design des R2 reagieren musste. Sicherzustellen, dass die neuen Technologien ausgetestet sind, bevor man sie in das neue Auto einbaut, ist nicht das selbe wie ihnen zu sagen, dass sie ein konservatives aber langsames Auto bauen sollen!"

Frage: "Aber wenn sie das Heck für das neue Auto am 1. Dezember und das neue Auto Anfang Dezember fertig haben, verlieren sie dann im Vergleich zu den anderen Teams nicht viel Entwicklungszeit?"
Ressler: "Man kann, aber die meisten Top-Teams testen den neuen Motor und die Kraftübertragung bereits am Ende des vorangegangenen Jahres. Wir tendieren dazu, unsere neue Technologie im Januar und Februar auszuprobieren und in der Vergangenheit konnten wir das Auto nicht entwickeln, bevor wir nach Österreich kamen. Alles was ich sagte ist, lasst uns in eine Position kommen, wo wir das Auto entwickeln können, bevor wir zum ersten Rennen kommen. Ich bin kein Rennwagendesigner - ich habe ihnen nie gesagt, was sie tun sollen. Ich habe ihnen nur gesagt, dass sie die Schwächen des R1 ausbügeln sollen. Ihr Jungs seid die Einzigen, die wissen, wie man das tun muss."

Frage: "Ist es frustrierend, dass die neue Fabrik und der Windkanal noch nicht fertiggestellt sind?"
Ressler: "Ja, das ist es. Ich bin zu Ford gegangen und bekam schon vor langer Zeit die Freigabe des Budgets. Das Team ließ vor ein paar Jahren die Möglichkeit links liegen, in England Zugang zu einem Windkanal zu bekommen. Ich hätte das besser nicht zulassen sollen, aber diese Entscheidung wurde damals eben gefällt."

Frage: "Seit sie gegangen sind hat es einen Fahrerwechsel gegeben. Sie haben ganz offensichtlich Luciano Burti hoch eingeschätzt?"
Ressler: "Ja, das tat ich und ich denke immer noch, dass er ein guter Fahrer sein könnte. Ich schätze ihn hoch ein, aber als ich ging, so traf ich auch keine Entscheidungen mehr und halte mich aus solchen Entscheidungen zurück. Nachher ist man immer klüger, wir werden sehen, wie er sich machen wird. Ich habe ihn immer noch sehr gerne und wünsche ihm alles Gute. Ich denke, dass wir in unserem Formel-3-Team sehr gute junge Fahrer haben. Ich kenne Pedro nicht sehr gut, aber er scheint ein netter Kerl zu sein. Ich war schon immer der Meinung, dass Eddie Irvine die Sache ernster nimmt als es ihm die meisten Leute immer zugetraut haben. Er strahlt das Image der Sorglosigkeit aus, aber das ist er nicht, er arbeitet hart."